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[Gastartikel] von Mélanie Anhuth, MSc BSc

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Social Media in der psychosozialen Beratung

Chancen, Herausforderungen und die Realität

Die digitale Revolution hat unsere Gesellschaft in vielerlei Hinsicht verändert und eines der Gebiete, in denen diese Veränderungen besonders deutlich spürbar sind, ist die psychosoziale Beratung. Traditionell war dieser Bereich durch persönliche Gespräche und persönliche Interaktionen geprägt, aber heutzutage spielen auch soziale Medien eine zunehmend wichtige Rolle in der psychosozialen Beratung. In diesem Artikel werden die Chancen und Herausforderungen beleuchtet, die sich aus der Verknüpfung von Social Media und Beratung ergeben.

Die Chancen von Social Media liegen darin, dass es eine hohe Erreichbarkeit und Zugänglichkeit im Markt schafft. Soziale Medien ermöglichen es uns Beratern: innen, eine breitere und diversere Zielgruppe zu erreichen. Menschen, die zum Beispiel aufgrund von geografischen Barrieren, sozialer Stigmatisierung oder finanziellen Mitteln nicht zu persönlichen Sitzungen kommen können, haben so die Möglichkeit, über Onlinekanäle Unterstützung zu erhalten.

Ein weiterer Aspekt, ist, die Anonymität und Privatsphäre, denn viele Menschen fühlen sich wohler, über ihre mentalen und persönlichen Herausforderungen zu sprechen oder sich zu informieren, wenn sie dies online und anonym tun können, indem sie zum Beispiel ihren Kanal sehr anonym halten und so das Gefühl haben, das wir als Berater: innen nicht genau wissen, wer sie eigentlich sind. Die Schwelle, wieder in die Unsichtbarkeit und Anonymität zu verschwinden ist dabei deutlich niedriger, als in einem Beratungsprozess vor Ort. Das Konzept ist ähnlich wie das der Telefonseelsorge, wo Anrufer: innen anonym über ihre Probleme und Herausforderungen sprechen können und trotzdem Hilfe und Entlastung erhalten. Dies kann unter anderem dazu beitragen, die Hürde im Zusammenhang mit mentalen und persönlichen Herausforderungen zu reduzieren und Menschen dabei unterstützen, in einen Veränderungsprozess zu finden.

Nicht zu vergessen sind die Ressourcen und Information, die Social Media bieten kann, nämlich eine Fülle von Ressourcen und Informationen im gesamten mentalen Bereich, Beziehungsthemen, Arbeitsthemen und Konflikten jeglicher Art. Wir als Berater: innen können hier wertvolle Inhalte teilen und damit unsere Zielgruppe über wichtige Themen aufklären, die sonst niemals diese Personengruppe erreicht hätten.

Kommentar:

Social Media Integration

Die Integration von Social Media in die psychosoziale Beratung ist eine aufregende Entwicklung, welche die Reichweite und Wirksamkeit dieses Bereichs erweitern kann. Dennoch ist es entscheidend, dass wir Berater: innen sorgfältig darüber nachdenken, wie wir diese Werkzeuge am besten nutzen können, um sicherzustellen, dass sie die Bedürfnisse der Follower erfüllen und gleichzeitig die hohen ethischen Standards und Qualitätsanforderungen des Berufsstandes erfüllen.

Letztendlich ist die Verbindung von Social Media und psychosozialer Beratung ein Schritt in Richtung einer inklusiveren, zugänglicheren und aufgeklärteren Gesellschaft, in der Menschen Unterstützung und Hilfe finden können, unabhängig von den Hindernissen, die ihnen im Weg stehen.

Bei all den Chancen und Vorteilen sollen aber auch die Herausforderungen nicht unerwähnt bleiben, denn die gibt es in jedem Fall. Eine große Herausforderung ist der Zeitaufwand für qualitativ hochwertigen Content. Die Schaffung von hochwertigem Content erfordert Zeit und Ressourcen, das kann nicht schöngeredet werden und wird durch das scheinbar mühelose Sichtbarsein von erfolgreichen Influencern oft übersehen oder unterschätzt. Als Berater: innen müssen wir sicherstellen, dass wir den Aufwand und die Ressourcen für die Content-Produktion effizient und nachhaltig nutzen.

Hoher Aufwand

Die Erstellung von wirklich qualitativ hochwertigem Content in sozialen Medien und zwar regelmäßig und über einen langen Zeitraum erfordert enorm viel Zeit und Engagement. Ja, wir haben die Möglichkeit, durch informative Beiträge, Videos, Reels, Blogs oder Podcasts wertvolles Wissen zu vermitteln und Vertrauen bei unserer Zielgruppe aufzubauen, aber um in die Sichtbarkeit zu kommen und diese auch konstant aufrechtzuerhalten erfordert es in der Realität einen mehrstündigen Zeitaufwand pro Woche. Und das bedeutet auch, Content vorzuplanen, im Voraus zu produzieren, Inhalte sorgfältig aufzubereiten und auch dann zu produzieren und zu posten, wenn die Motivation gerade nicht am Höhepunkt ist.

Ethik & Datenschutz

Ein weiterer Bereich der Herausforderungen liegt in der Ethik und dem Datenschutz, denn der Umgang mit sensiblen Informationen erfordert besondere Sorgfalt. Es muss von unserer Seite aus sichergestellt sein, dass die Privatsphäre und der Datenschutz unserer Follower online gewahrt bleibt.

Qualität & Kompetenz

Übersehen wird häufig auch der Bereich von Qualität und Kompetenz. Die Verbreitung von psychosozialer Information in sozialen Medien bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Informationen korrekt oder qualitativ hochwertig sind. Es ist wichtig, dass wir als Berater: innen auf professionelle Standards und Ethik achten und sicherstellen, dass wir kompetente Ressourcen teilen. Zu oft werden Beiträge anderer Kanäle ungeprüft geteilt, 1:1 kopiert und wiederveröffentlicht ohne zu überprüfen, ob die Information wahr ist oder noch dem aktuellen Wissenstand entspricht.

Grenzen

Und es gibt auch eine große Grenze im Bereich der Social Media Arbeit, denn es kann nicht die persönliche Verbindung und das Einfühlungsvermögen ersetzen, welche in der psychosozialen Beratung oft notwendig sind. Wir müssen diese Grenze verstehen und mit großer Sorgfalt behandeln und auch Followern klar kommunizieren. Uns muss bewusst sein, dass wir nicht wissen können, wie die veröffentlichten Inhalte beim Gegenüber angenommen werden. Wir bekommen nicht mit, wenn durch einen veröffentlichten Beitrag eine tiefe Verzweiflung, Hilflosigkeit, Unklarheit oder ähnliches ausgelöst wird und anders als in der Beratung vor Ort können wir die Person in dem Moment nicht auffangen und in eine Lösung bringen, die für den Moment innere Ordnung schenkt. Es muss auch klar kommuniziert werden, dass die veröffentlichten Inhalte in keinem Fall eine Beratung ersetzen und dass diese aber auch immer wieder angeboten wird – egal in welchem Setting und wer dann die beratende Person sein wird. Hier geht es dann nicht mehr um Marketing oder Sichtbarkeit, sondern um das Wohl von Menschen!

Zur Autorin:

Mélanie Anhuth, MSc BSc ist Dipl. psychosoziale Beraterin, Dipl. Paarberaterin, Single Coach, Supervisorin, Expertin für klinische Psycho-Neuro-Immunologie, Laufinstruktorin, Physiotherapeutin, Inhaberin der Praxis Herzenswachstum und eine der Pionierinnen auf dem Gebiet der Social Media Integration in den Fachbereich der psychosozialen Beratung. » www.herzenswachstum.at